Forschungsexzellenz aus Gleisdorf zeigt in zehn österreichischen Demonstrationsprojekten wie der Ausstieg aus fossilen Energien im Fernwärmesektor gelingt.
Den für die Wärmewende notwendigen Transformationsprozess zu unterstützen sowie Lösungen und Elemente in österreichischen Fernwärmenetzen zu demonstrieren, war das übergeordnete Ziel des Großforschungsprojekts ThermaFLEX, das in den letzten 4 Jahren gemeinsam mit 28 Partnern durchgeführt wurde. Das Leitprojekt zur Wärmewende wurde von AEE – Institut für Nachhaltige Technologien (AEE INTEC) aus Gleisdorf geleitet und koordiniert. Im Rahmen eines Pressegesprächs unter Teilnahme der Bundesministerin für Klimaschutz wurden die Ergebnisse des Großforschungsprojekts ThermaFLEX in Kooperation mit den Stadtwerken Gleisdorf präsentiert.
Großtechnische Lösungen in sieben städtischen Fernwärmenetzen demonstriert
Das Großforschungsprojekt zeigte mit konkreten Lösungen, wie die bestehende Wärmeleitungsinfrastruktur effizient genutzt und dekarbonisiert werden kann. Anhand von zehn großtechnischen Demonstrationsprojekten in der Steiermark, in Salzburg und in Wien wurde die Zukunft der Fernwärmenetze von morgen demonstriert. Sieben der zehn begleiteten Demonstratoren sind bereits in Betrieb:
- Abwärmenutzung aus der Therme Wien in Kombination mit zwei Kompressionswärmepumpen und Einspeisung von 2,2 MWth in ein Sekundärnetz der Fernwärme Wien
- Industrie-Abwärmenutzung durch eine 8 MWth Absorptionswärmepumpe in Hallein und Einspeisung in das Fernwärmenetz der Stadt Salzburg
- Großsolarthermieanlage über 3,5 MWth und Speicherintegration im Fernwärmenetz Mürzzuschlag
- Erneuerbare Wärme (460 kWth) und Kälte (430 kWth) aus dem Wien-Kanal durch den Einsatz von Kompressionswärmepumpen
- Abwärmenutzung aus dem Rauchgas (410 kWth) und Speicherintegration im Fernwärmenetz Saalfelden
- Ausstieg aus der Wärmeversorgung mit Erdgas durch Nutzung von bis zu 4 MWth fluktuierender Industrie-Abwärme und bidirektionaler Kopplung zweier Fernwärmenetze in Leibnitz; Smarte Regelung
- Nutzung des Wärmeinhalts des Ablaufs der kommunalen Kläranlage in Kombination mit einer Kompressionswärmepumpe (800 kWth) sowie der Nutzung des verfügbaren Biogases aus dem Faulturm der Kläranlage und Einspeisung in das Fernwärmenetz der Stadt Gleisdorf; Netztemperaturabsenkung u.a. durch Versorgung aus dem Netzrücklauf; Smarte Regelung
Dabei wurden technische, nicht-technische und systemische Maßnahmen kombiniert betrachtet und realisiert. Parallel wurden hochintegrierte Planungs-, Umsetzungs- und Betriebsführungsprozesse wie neue Facetten der Energieraumplanung, Systembewertungen mittels Lebenszyklusanalysen, Methoden zur Nutzer- und Stakeholderintegration sowie umfassendes Datenmonitoring integriert.
Hierbei wurde eine große Bandbreite an unterschiedlichen Wärmequellen und Flexibilitäts-Elementen genutzt. Eine zentrale Rolle spielten Wärmespeicher, die Kopplung von Energiesektoren und Infrastrukturen (Sektor-Kopplung), neue smarte Regelungskonzepte, Großwärmepumpenanwendungen, Solarthermie sowie die Nutzung unterschiedlichster, lokal verfügbarer Abwärmequellen. Dies führte zu einer wesentlichen Steigerung des Anteils von erneuerbarer Energie sowie zur Dekarbonisierung und Diversifizierung der jeweiligen Fernwärmesysteme.
Damit konnten innerhalb des Projektes vielschichtige Wege gezeigt werden, wie man der aktuellen Energiekrise als auch dem Klimawandel trotzt. Weiter wurde eindrucksvoll demonstriert, dass großtechnische Umsetzungen auch in relativ kurzer Zeit möglich sind.
Wärmenetz der Stadt Gleisdorf im Wandel
Ein Demonstrationsprojekt im Forschungsverbund war das Wärmenetz der Stadt Gleisdorf. Im Rahmen der kontinuierlichen Wärmenetzentwicklung wurden zukünftige Wärmebedarfs-szenarien und strategische Entwicklungspläne unter Einbeziehung aller relevanten und verfügbaren Wärmequellen für das Wärmenetz der Stadt Gleisdorf erstellt und in konkreten Beispielen auch bereits umgesetzt.
Die Sektor-Kopplung mit der Kläranlage wurde dabei als ein zentrales Element identifiziert und stellt auch die Startmaßnahme für die erklärte Implementierung einer Energie-Drehscheibe am Standort der Kläranlage dar. Die Stadtwerke Gleisdorf haben in Kooperation mit dem Abwasserverband Gleisdorfer Becken am Standort der Kläranlage das Projekt „Fernwärme aus Abwasser“ realisiert und im Rahmen dieser Maßnahme eine neuartige Heizanlage errichtet. Das gereinigte Abwasser sowie das Biogas aus dem Faulturm der Kläranlage sorgen hier seit Dezember 2022 für klimaneutrale Fernwärme und unterstützen das Bestreben der Stadtgemeinde, die lokalen Treibhausgasemissionen massiv zu reduzieren.
Mit dieser Anlage werden nun jährlich rund 4 000 Megawattstunden Wärmeenergie klimaneutral für rund 330 Haushalte in der direkten Umgebung erzeugt und führen zu einer Einsparung von rund 1 000 Tonnen CO2 jährlich. Auch der zum Betrieb der Wärmepumpe notwendige Strom wird klimaneutral im naheliegenden und neu revitalisierten Wasserkraftwerk erzeugt.
Übergeordnet wurde eine für Wärmenetze gänzlich neuartige „Smarte Regelung“ entwickelt und implementiert. Diese vereint die gesetzten neuen technischen Maßnahmen mit den Bestandsanlagen sowie allen installierten Speicherkapazitäten und erlaubt so eine vorausschauende Steuerung der Wärmeerzeuger in optimierter Reihenfolge. Generell führte der Verbund an Maßnahmen in Verbindung mit kontinuierlichen Optimierungsaktivitäten zu stark reduzierten Systemtemperaturen und erhöhte somit die Flexibilität im Wärmenetz signifikant. Das Fernwärmenetz der Stadt Gleisdorf basiert daher zukünftig weitgehend auf erneuerbaren Energiequellen (Biomasse, Solarthermie, Abwärme aus Abwasser und Biogas).
ThermaFLEX bisher größtes Forschungsprojekt im österreichischen Fernwärmesektor
Mit einem Projektvolumen von rund 4,6 Millionen Euro war ThermaFLEX das bisher größte zusammenhängende Forschungsprojekt im österreichischen Fernwärmesektor. Finanziert wurde es vom österreichischen Klima- und Energiefonds im Rahmen des Programms „Vorzeigeregion Energie“, angesiedelt unter dem Schirm der Vorzeigeregion „Green Energy Lab“. Das Programm Vorzeigeregion Energie verfolgt die Zielsetzung, bereits entwickelte Technologien rasch in die Umsetzung zu bringen und damit Musterlösungen für intelligente, sichere und leistbare Energie- und Versorgungssysteme zu demonstrieren. Dieses Vorhaben konnte bereits in sieben Demonstrationsanlagen erreicht werden. Wenn final alle zehn Demonstratoren umgesetzt sind, ergibt das eine jährliche CO2-Einsparung von rund 45 000 Tonnen.